Nachdem ich mir in meinem Artikel "Home-Office und Home-Schooling - Traum oder Albtraum?" zu Beginn der Schulschließung Gedanken zu diesem Thema gemacht und einige Tipps gegeben habe, möchte ich in diesem Artikel meine Erfahrungen aus diesen herausfordernden Monaten mit euch teilen. Inspiriert wurde der Titel von Alice Cooper's School's Out for Summer😉.
Am 3. Juli war es endlich soweit: das Wiener Schuljahr 2019/2020 nahm sein Ende, die Zeugnisse wurden verteilt. Der Druck der letzten Monate ist von uns allen abgefallen. Endlich konnten die Sommerferien beginnen, die dieses Mal nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Eltern bitter nötig haben! Ich möchte an dieser Stelle auch mal allen Eltern applaudieren, die es geschafft haben, ihre Kinder gut durch diese schwierige Zeit zu bringen, sie nicht nur bei ihren schulischen Aufgaben, sondern auch seelisch zu unterstützen und zu stärken. Leider wird häufig vergessen, dass auch wir Eltern eine sogenannte "systemrelevante" Aufgabe erfüllen. Schließlich arbeiten wir hart dafür, unsere Kinder zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft heranzuziehen, die später ihren Beitrag zu unserem sozialen und wirtschaftlichen System leisten.
Nach ca. dreieinhalb Monaten Home-Schooling möchte ich Bilanz ziehen. Ich weiß, dass die Erfahrungen sowohl von der jeweiligen Familienkonstellation also auch von der jeweiligen Schule und ihrer Lehrerschaft abhängen, daher kann ich hier nur von meinen persönlichen Erfahrungen sprechen.
Glück im Unglück
Zunächst hatten wir Glück, dass wir technisch gut ausgerüstet waren. Ich hatte vor einiger Zeit bereits einen Drucker gekauft und habe gleich nach der Lockdown Nachricht einen zweiten Laptop gekauft, da ich ohnehin meinen eigenen Laptop durch einen moderneren ersetzen wollte. (Bei diesem Kauf habe ich mich auf die Empfehlungen von refurbed.at verlassen, eine Seite, auf der man rundum erneuerte elektronische Geräte um bis zu 40% günstiger kaufen und kostenlos liefern lassen kann.) So konnten meine Tochter und ich parallel an unseren jeweiligen Aufgaben arbeiten. Der zweite Vorteil war die Umstellung unserer Schule seit Beginn des Schuljahres auf das digitale Klassenbuch Schoolfox. Das hat die Kommunikation zwischen Lehrern und Eltern extrem vereinfacht. Außerdem nutzten wir die Lernplattform eduvidual, auf der die Lehrer die Aufgaben und die Schüler ihre Lösungen hochgeladen haben. Zusätzlich stellten unsere Lehrer Ressourcen zum Erarbeiten der Inhalte online und standen den Schülern und Schülerinnen bei Fragen zur Verfügung. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten funktionierten die Abläufe recht gut. Der dritte Vorteil war, dass ich meiner Tochter sowohl inhaltlich als auch technisch bei der Erarbeitung der Lehrinhalte helfen konnte.
Gut organisiert ist halb gewonnen
Obwohl ich mir das Unterrichten meiner Tochter zu Hause Spaß macht, war die Bewältigung dieser Aufgabe neben meinem Vollzeitjob im Home Office eine große Herausforderung. Jeden Montag erhielten wir auf der Lernplattform den Plan und die Aufgaben für die jeweilige Woche. Das bedeutete, dass ich jeden Montag damit beschäftigt war, meiner Tochter bei ihrer Organisation zu helfen, alle Arbeitsblätter auszudrucken, Prioritäten zu setzen und festzustellen, welche Dinge sie alleine erledigen konnte und bei welchen Aufgaben sie Hilfe benötigen würde.
Danach begannen wir mit unserer Arbeit. Wir saßen uns meisten gegenüber an unserem großen Esstisch, meine Tochter an ihrem Laptop und ich an meinem. Ich arbeite als Trademark Specialist bei einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei und trage in meinem Job große Eigenverantwortung. Meine kleinen grauen Zellen werden jeden Tag aufs Neue gefordert. Zwischendurch musste ich an Telefonkonferenzen teilnehmen und parallel für die Fragen meiner Tochter zur Verfügung stehen. Ich wollte meine Arbeit in der gewohnt hohen Qualität abliefern und trug gleichzeitig die Verantwortung für die schulische Bildung meiner Tochter. Aufgrund der monatelangen Schließung der Schulen mussten die Kinder nicht nur den bereits erlernten Stoff festigen, sondern auch neuen Stoff erarbeiten.
So mussten wir zum Beispiel im Fach Physik Informationen zu einer Reihe an Physikern, ihren besonderen Fachgebieten und Errungenschaften recherchieren und zusammenfassen. Ich verwende bewusst das Wörtchen "wir", denn meine Tochter wäre alleine mit dieser Aufgabe überfordert gewesen. Natürlich hätte sie die Informationen über Google / Wikipedia abrufen und abschreiben können. Aber der Lerneffekt dabei wäre wohl gleich Null gewesen. So haben wir gemeinsam recherchiert, ich habe ihr die jeweiligen Fachgebiete mit meinem Laienverständnis erklärt und ihr die Bedeutung der Ergebnisse der Forschungsarbeit der jeweiligen Physiker für unser modernes Leben vor Augen geführt. Wir sprachen über die Röntgenstrahlung, Atomphysik, über Marie Curies Strahlenkrankheit, Einstein, die Atombombe, Nagasaki und Hiroshima, die Gefährlichkeit der Strahlung, Stephen Hawking, schwarze Löcher, etc. Wir kamen vom Hundertsten ins Tausendste und meine Tochter war so interessiert, dass sie sich anschließend freiwillig YouTube Videos zu einigen dieser Themen angesehen hat. Ihr könnt euch vorstellen, dass allein diese Aufgabe uns mehrere Stunden beschäftigt hat. Ähnlich ging es uns bei fast jedem Thema.
Liebe geht durch den Magen
Mittags unterbrachen wir unsere Arbeit und kochten gemeinsam unser Mittagessen. Da wir uns gezwungenermaßen fast nur zu Hause aufhielten und uns die Ideen für das Mittagessen mit der Zeit ausgingen, hatten wir uns entschlossen, die Kochbox Marley Spoon auszuprobieren. Wir wählten jede Woche unsere Rezepte für die nächste Woche und erhielten die Lieferung der Zutaten für die gesamte Woche. Abgesehen von den neuen Kochideen und dem praktischen Lieferaspekt wollte ich damit ein bisschen Spaß in jeden Tag bringen. Außerdem erhält man zu jedem Rezept eine Schritt für Schritt Anleitung (auf Papier oder online). Wir entdeckten somit zusammen neue Rezepte und konnten gleichberechtigt in der Küche agieren. Damit wollte ich auch während der schwierigen Zeit das Selbstvertrauen meiner Tochter stärken und spielerisch in ihr die Liebe zu neuen Lebensmitteln wecken. Wir sind mit dieser Kochbox immer noch sehr zufrieden und werden unser Abo auch nach der Corona Zeit beibehalten. Wenn ihr das auch mal ausprobieren wollt, können die ersten drei Glücklichen unter diesem Link eine Gratis Kochbox erhalten: https://marleyspoon.at/v/37B2F3.
Nach Beendung meiner Arbeitszeit am späten Nachmittag half ich meiner Tochter dabei, Arbeiten abzuschließen zu denen sie Fragen hatte. Dann zogen wir Bilanz, hakten die erledigten Arbeiten ab und legten die Prioritäten für den nächsten Tag fest. Danach hatten wir beide Freizeit. Meine Tochter verbrachte die Abende meistens mit ihren Freunden am Telefon oder bei interaktiven Spielen und ich ging meinen Hobbies nach.
Our home is our castle
Eine weitere neue Entwicklung unserer gemeinsamen Zeit zu Hause war die Aufteilung der Haushaltsaufgaben. Da wir kurz vor Corona unsere Putzfrau "verloren" hatten und nun alle Arbeiten selbst erledigen mussten, teilten wir die Arbeiten unter uns auf und erstellten einen Plan, wer an welchem Tag welche Aufgaben übernehmen würde. Das hat wirklich toll funktioniert und ist ein weiterer positiver Corona Effekt auf uns und unseren Haushalt. Wenn ihr das mit der Aufgabenteilung mit euren Kindern auch mal probieren möchtet, dann könnt ihr euch hier Ideen holen, welche Aufgaben im Haushalt für welches Alter geeignet sind. Ihr tut nicht nur euch sondern auch euren Kindern einen Gefallen, wenn ihr sie von klein auf in die Aufgaben mit einbindet!
Deutliche Zwei Klassen Gesellschaft
War die strenge Schulschließung notwendig? Aus heutiger Sicht wahrscheinlich nicht, aber aus Sicht des damaligen Wissenstands wahrscheinlich schon. Die Schulschließung ohne Vorbereitungszeit hat jedenfalls gezeigt, dass wir eindeutig in einer 2 Klassen Gesellschaft leben. Es gibt jene Familien, die die sich mit ihren Arbeitgebern arrangieren können, die Home Office machen können, die es sich finanziell leisten können, ihre Kinder technisch für Home Schooling auszurüsten und, wenn nötig, private Nachhilfe bezahlen zu können und die ihre Kinder aufgrund ihres Bildungsstandes bei den schulischen Aufgaben unterstützen können. Und es gibt jene Familien, in denen einige oder alle dieser Maßnahmen nicht möglich sind. Diese Kinder haben nun ein Bildungsdefizit gegenüber ihren Klassenkameraden und -kameradinnen, das sie nur durch harte Arbeit und Förderung wieder aufholen können. Bleibt zu hoffen, dass diese schwierige Situation ein Augenöffner für die Bildungspolitik ist und dass in unserer Gesellschaft die Kinder und deren Bildung künftig höhere Priorität haben.
Persönliches Fazit
Dennoch ist mein persönliches Fazit eher positiv. Meine Tochter und ich haben während der strengen Ausgangsbeschränkung und Schulschließung erlebt, dass wir eine gesunde Beziehung zueinander haben und trotz der belastenden Situation viele schöne Momente erleben können. So viel gemeinsame Zeit wie in den letzten Monaten hatten wir noch nie. Ich habe es sehr genossen, mich intensiv mit meiner Tochter beschäftigen zu können und fand es sehr schön, entspannt von zu Hause zu arbeiten und mir meine Zeit mit ihr freier einteilen zu können. Ich weiß, dass meine Tochter es sehr genossen hat, nicht jeden Tag früh aufstehen zu müssen und die Schularbeiten in ihrem eigenen Rhythmus erledigen zu können. Außerdem war meine Tochter durch den Einzelunterricht zu Hause wesentlich konzentrierter und hat in Bezug auf ihre Fähigkeiten an Selbstbewusstsein gewonnen. In ihrem Angstfach Mathematik konnte sie alte Inhalte festigen und neue Inhalte sehr schnell erarbeiten. Sie hat selbst bemerkt, wozu sie fähig ist, wenn sie an sich glaubt.
Chancen durch Austausch
Vielleicht habt ihr nun auch nach diesem Schuljahr die Möglichkeit, Bilanz zu ziehen. Ich hoffe, dass euer Fazit auch eine positive Tendenz hat. Wenn ihr nicht so gute Erfahrungen in der Zeit der Schulschließung gemacht und festgestellt habt, dass es euch an technischer Ausrüstung oder dem nötigen Know-how fehlt, um eure Kinder zu unterstützen, dann notiert euch die Punkte, die ihr verbessern möchtet. Gibt es die Möglichkeit, einen gebrauchten Laptop oder ein Tablet zu kaufen? Möglicherweise sortiert jemand im Bekanntenkreis gerade technische Geräte aus und gibt sie kostengünstig an euch ab? Habt ihr besondere Fähigkeiten in einem Fach, um den Kindern Nachhilfe zu geben, dafür hapert es in einem anderen Fach, das wiederum ein anderes Elternteil abdecken könnte? Vielleicht könnt ihr kreativ werden und auf diese Weise kostenlose Lerngruppen für eure Kinder organisieren. Ich bin sicher, wenn ihr erstmal beginnt, euch Gedanken zu machen und euch mit anderen Eltern austauscht, kommt ihr gemeinsam auf ganz unerwartete Ideen und Lösungen, die euch und eure Kinder voranbringen werden.
Wir haben uns vorgenommen, den Sommer 2020 in vollen Zügen zu genießen. Wir werden Touristen im eigenen Land sein und einige unserer schönsten österreichischen Sehenswürdigkeiten entdecken. Wenn ihr mit dabei sein wollt, folgt uns auf Instagram unter Vampirndl (@evahirschmugl), gerne teilen wir unsere Erlebnisse mit euch und freuen uns über eure Kommentare! Wir haben vor, auf jeden Fall Gmunden, Hallstatt, Hellbrunn und Salzburg zu besuchen aber mal sehen, wohin die Reise uns spontan führt! Wir wünschen euch wunderschöne, coronafreie Sommerferien! 🌞🍹🌴
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