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AutorenbildVampirndl

Empowerment - Werdet die Scham los!

Aktualisiert: 1. Juni 2022


In meinem Blogbeitrag Mein Körper gehört mir! habe ich das schwierige Thema des sexuellen Missbrauchs an Kindern angeschnitten (seht hierzu auch mein gleichnamiges e-book mit wertvollen Informationen und Erziehungstipps zur Prävention und Traumaverarbeitung).


Bei meiner Recherche dazu habe ich begonnen, über den Ursprung und die Auswirkungen von Schamgefühlen nachzudenken. Nicht nur Kinder, die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind, stecken in einer Scham- und Schuldspirale. Auch Erwachsene können in eine solche Spirale geraten. Mir wurde klar, wie wichtig es ist, Schamgefühlen auf den Grund zu gehen, sie zu analysieren und endlich scham/los zu werden!


Was sind Schamgefühle und woher kommen sie?


Scham ist einerseits ein universelles Gefühl, weil es in allen Kultur- und Gesellschaftskreisen existiert. Andererseits ist es ein sehr individuelles Gefühl, weil es je nach Abstammung, Geschlecht, kulturellem Hintergrund und persönlichem Erleben durch unterschiedliche Trigger ausgelöst wird. Man spricht auch von der "persönlichen Schambiografie" eines Menschen.


Unterschiedliche Arten der Scham


Die Körperscham ist vielen ein Begriff, sie wird in der christlichen Welt auf den Verlust der Unschuld von Adam und Eva im Paradies zurückgeführt; nach dem sogenannten Sündenfall, dem Kosten von der verbotenen Frucht, bemerkten Adam und Eva, dass sie nackt waren; daraufhin flochten sie Feigenblätter zusammen und fertigten sich Schürzen an, um sich zu bedecken (siehe 1. Buch Mose (Genesis), Kapitel 3). Vor allem der weibliche Körper wurde zum Mittelpunkt von Beschämungspraktiken. Vor diesem Hintergrund wurden junge Mädchen seit dem 19. Jahrhundert dazu erzogen, ihren Körper zu verbergen und sich ihrer Reize zu schämen.


Von der geschlechtsspezifischen Scham spricht man, wenn Männern und Frauen unterschiedliche Anlässe für Scham zugeordnet werden. Diese entsprechen meistens den teilweise veralteten Rollenklischees, die leider immer noch präsent genug sind in unserer Gesellschaft. So sagt man zum Beispiel, dass ein Mann keine Gefühle zeigen soll, weil das als unmännlich gilt oder dass es sich nicht gehört, wenn eine Frau flucht oder sich nicht ihrer von der Gesellschaft zugeordneten Rolle entsprechend verhält. Männern wurde eher die Gefühlsscham und Frauen vor allem die Körperscham zugeordnet.


Die kollektive Scham und das Fremdschämen sollen auch noch erwähnt sein; ich möchte sie hier aber nicht weiter ausführen. Wenn ihr wollt, könnt ihr zB hier weiterlesen, wenn ihr tiefer einsteigen wollt.


Was Scham mit uns macht


Scham dient in einem gesunden Maß dazu, dass Grenzverletzungen sozialer Normen verhindert werden. Beispielsweise würden wir aus Scham nicht nackt zum Einkaufen gehen. Uns ist bewusst, dass wir damit gegen eine gesellschaftliche Norm verstoßen. Es sei denn, wir urlauben in einem Nudistencamp. Dort würden wir uns eventuell schämen, wenn wir bekleidet zum Einkaufen gehen. Diese Art der Scham schützt also vor gesellschaftlichen Extremen, vor Übergriffen und vor Missbrauch.


Das Problem mit der Scham beginnt dann, wenn wir uns so sehr schämen, dass wir verinnerlichen, niemals gut genug zu sein. Aufgrunddessen sind Frauen häufig mit dem Thema Perfektionismus konfrontiert, das sich wie eine Zwangsjacke um sie schnürt und jegliche Befreiung aus dem Teufelskreis verhindert. Männer haben durch diese Art der schambehafteten Erziehung verinnerlicht, dass sie niemals Schwächen oder Gefühle zeigen dürfen. Daher können sie starke "unmännliche" Gefühle nicht offen kommunizieren und müssen für ihre negativen oder unangenehmen Gefühle ein anderes Ventil suchen, was zu hoher Agressivität oder Gewaltbereitschaft führen kann.


Scham kann sich sogar zu einer regelrechten Phobie auswachsen, wenn sie so groß wird, dass man im Extremfall jeden sozialen Kontakt vermeidet, weil man Angst vor einer Blamage hat. In diesem Fall wird der Alltag unmöglich. Jeder kennt die eher harmloseren Situationen, wenn man zum Beispiel vor aller Augen ausrutscht und eine Bauchlandung hinlegt. Lebensbedrohlich kann es dann werden, wenn man aus Angst vor Beschämung jahrelang keine ärztlichen Kontrolltermine wahrnimmt oder sich nicht traut, mit dem Arzt körperliche oder seelische Beschwerden anzusprechen.


Verwechslung von Schuld und Scham


Im täglichen Leben wird Schuld manchmal mit Scham gleichgesetzt, es handelt sich jedoch um zwei Begriffe, bei denen das Augenmerk sehr unterschiedlich ist. Bei Schuld konzentriert man sich auf die jeweils gesetzte Handlung, für die man sich schuldig fühlt. Bei der Scham geht es eben nicht um die Handlung, sondern um die eigene Persönlichkeit.


Kurz gesagt: bei Schuld würde die Formulierung "es tut mir leid, dass ich einen Fehler gemacht habe" lauten. Bei der Scham hieße der Satz "es tut mir leid, ich bin der Fehler".


Der Weg zur Schamlosigkeit


Die positive Nachricht ist, dass wir uns durchaus auch in höherem Alter aus der Zwangsjacke der Scham befreien können. Wie so oft ist eine der Waffen, um die Scham zu besiegen und ihr den Schrecken zu nehmen, die Kommunikation. Wenn ihr gefangen seid in eurem Schamgefühl oder immer wieder in eine Situation geratet, in der ihr euch schämt oder in der alte Schamgefühle in euch hochkommen, vertraut euch jemandem an. Sucht euch die Person gut aus, der ihr euch anvertraut. Diese sollte zu echter Empathie fähig sein, denn Empathie ist der Feind der Scham. Sie zieht der Scham regelrecht ihre hässlichen Zähne.


Hinterfragt bestehende gesellschaftliche Normen oder vermeintliche Normen, die euch anerzogen wurden. Welche Normen schützen unsere Gesellschaft und machen daher Sinn? Welche schambezogenen Normen schaden unserer Gesellschaft? Letztere schaden unserer Menschlichkeit und stehen unserer Entwicklung und Befreiung im Weg.


Bis heute nutzen Menschen die Scham als Machtmittel - ob bei Mobbing, sexuellem Missbrauch, Vergewaltigungen oder um andere Gräueltaten zu vertuschen. Immer setzen die Täter auf die Scham ihrer Opfer, indem sie ihnen drohen, ihre Beschämung öffentlich und sie damit gesellschaftlich "unmöglich" zu machen.


Tretet schamlos vor und nehmt euren Platz in der Arena des Lebens ein!


Schon Theodor Roosevelt brach der Verletzlichkeit und somit auch der "Schamlosigkeit" in seiner Rede im April 1910 an der Sorbonne eine Lanze. Hier ist das ganze sogenannte "man in the arena" Zitat zu eurer Inspiration - es hat bis heute seine Gültigkeit behalten:


Es ist nicht der Kritiker, der zählt, nicht derjenige, der aufzeigt, wie der Starke gestolpert ist oder wo der, der Taten gesetzt hat, sie hätte besser machen können. Die Anerkennung gehört dem, der wirklich in der Arena ist; dessen Gesicht verschmiert ist von Staub und Schweiß und Blut; der sich tapfer bemüht; der irrt und wieder und wieder scheitert; der die große Begeisterung kennt, die große Hingabe, und sich an einer würdigen Sache verausgabt; der, im besten Fall, am Ende den Triumph der großen Leistung erfährt; und der, im schlechtesten Fall des Scheiterns, zumindest dabei scheitert, dass er etwas Großes gewagt hat.


Lasst euch nicht unterkriegen, wenn ihr bei eurem nächsten Wagnis auf der sprichwörtlichen Bananenschale ausrutscht. Ihr seid in bester Gesellschaft!


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