Kleine Herzen, große Gefühle – wenn Kinder fühlen lernen
- Vampirndl
- 24. Sept.
- 4 Min. Lesezeit

Der Film "Alles steht Kopf" hat es ziemlich anschaulich dargestellt - Kinder erleben Gefühle intensiv – Freude, Wut, Angst, Traurigkeit. Für uns Erwachsene ist es oft erstaunlich, wie stark und unvermittelt Emotionen bei unseren Kids auftreten können. Gefühle sind die Grundlage für Selbstbewusstsein, soziale Beziehungen und die Fähigkeit, Herausforderungen zu meistern. Gerade bei Pflegekindern kann die emotionale Welt besonders komplex sein, da sie oft belastende Erfahrungen aus ihrer Vergangenheit mitbringen.
Normale emotionale Entwicklung
Kinder lernen nach und nach, ihre Gefühle zu erkennen und zu regulieren – das passiert altersgerecht und manchmal sehr sprunghaft:
Kleinkinder (1–3 Jahre): Impulsive Emotionen, plötzliche Wutanfälle, Freude und Angst wechseln schnell. In dieser Phase treten die ersten Trotzphasen auf: Kinder testen Grenzen, schreien, werfen Dinge oder ziehen sich zurück. Diese Phasen sind normal und wichtig – sie helfen Kindern, Kontrolle über sich selbst zu entwickeln.
Vorschulkinder (3–5 Jahre): Kinder beginnen, Gefühle in Worte zu fassen und reagieren zunehmend sozialer. Trotzphasen zeigen sich hier oft als Wutanfälle oder starke Frustration, z. B. beim Teilen von Spielzeug oder bei Regeln, die sie nicht verstehen.
Schulkinder (6–10 Jahre): Verständnis für komplexere Gefühle wie Stolz, Scham oder Eifersucht wächst. Kinder entwickeln Empathie und lernen, Konflikte zunehmend verbal zu lösen.
Gestörte Gefühlsregulation – besonders bei Pflegekindern
Manchmal fällt es Kindern schwer, Emotionen zu erkennen oder angemessen zu zeigen. Bei Pflegekindern treten solche Schwierigkeiten besonders häufig auf.
Anzeichen können sein:
Plötzliche Wutausbrüche oder extreme Traurigkeit
Rückzug oder Misstrauen gegenüber Bezugspersonen
Schwierigkeiten, Nähe zuzulassen oder Gefühle zu teilen
Ursachen:
Frühere Vernachlässigung, Trennungserfahrungen oder Misshandlungen
Verlust von Bindungspersonen, instabile Umfelder
Traumatische Erlebnisse, die die Verarbeitung von Emotionen erschweren
Viele Pflegekinder entwickeln „Überlebensstrategien“: sie unterdrücken Gefühle oder zeigen besonders starke emotionale Reaktionen. Für Außenstehende wirken sie dann oft überraschend oder übertrieben.
Unterstützung im Alltag
Ich weiß, wie schwer es fällt, ruhig zu bleiben, wenn Kinder nicht so funktionieren, wie man es sich erwartet oder wie es die Situation gerade erfordert. Ja, wir Eltern sind die Erwachsenen und sollten uns immer im Griff haben und immer perfekt reagieren in jeder Situation. Aber manchmal stehen wir auch unter Druck und die Trotz- und Wutanfälle kommen nicht immer zum idealen Zeitpunkt, wenn wir gerade in unserer Mitte ruhen...
Gerade in diesen herausfordernden Situationen besteht die Chance, Kinder zu begleiten und ihre emotionale Stärke zu fördern:
Strukturen und Rituale: Feste Abläufe geben Halt und Sicherheit. Wenn ihr könnt, baut diese in den Alltag ein (zB immer Zähneputzen vor dem Schlafengehen, nur eine Geschichte wird vorgelesen, beim Essen gibt es nur Wasser zu trinken, im Supermarkt darfst du dir eine Süßigkeit aussuchen, noch 2 x rutschen, dann gehen wir nach Hause, etc.).
Vorbereitung auf Veränderungen: Teilt euren Kindern mit, wenn der Tag anders als normalerweise geplant verläuft (zB heute kommt Tante Fanny zu Besuch, wir können morgen leider nicht schwimmen gehen, aber am Wochenende geht es sich aus).
Gefühle benennen und validieren: „Ich sehe, dass du wütend bist – das ist okay." oder "Du bist gerade ganz schön müde, das verstehe ich, es war ein aufregender Nachmittag."
Mini-Erfolge feiern: Kleine Fortschritte, wie selbständig Atemübungen machen bei Wut, motivieren.
Vertrauen aufbauen: Jede positive, sichere Beziehungserfahrung zählt.
Therapie und Beratung: Spieltherapie oder Traumapädagogik können gezielt helfen.
Meine Tochter hatte in ihrer Anfangsphase bei mir immer wieder Wutausbrüche. Ihre Wut richtete sich nicht gegen andere, sondern gegen sich selbst. Ich habe auch Situationen erlebt, in denen sie sich mitten auf dem Gehsteig hingeworfen hat und minutenlang gebrüllt hat, so dass Passanten stehenblieben und sich erkundigten, ob es ihr gutgeht. Sie hat in manchen Situationen so plötzlich und so heftig Wut- oder Angstreaktionen gezeigt, dass ich anfangs damit überfordert war, weil ich nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte.
Am besten ist es mit ihr gegangen, wenn ich sie auf plötzliche Veränderungen vorbereitet habe und ihre Gefühle wahrgenommen habe. Geholfen hat auch eine ganz feste (aber nicht schmerzhafte!) körperliche Umarmung, damit sie sich durch den Körperkontakt wieder erden und selbst spüren konnte. Das "in einen Polster schreien" hat ihr auch geholfen und sie immer zum Lachen gebracht. Dazu nimmt man einen Polster, drückt das eigene Gesicht in den Polster und schreit ganz laut hinein. Das hat ihr als kleines Kind so gut gefallen, dass sie mir auch öfter mal einen Polster gebracht hat, wenn ich gerade wütend war.
Hier sind noch ein paar Ideen, wie ihr eurem Kind im Gefühlschaos beistehen könnt:
1. Gefühlsbarometer
Ziel: Kinder lernen, ihre Gefühle zu erkennen und einzuordnen.
Anleitung: Male ein einfaches Barometer auf Papier oder Karton (von 1 = ruhig bis 5 = sehr wütend). Das Kind zeigt, wie stark ein Gefühl gerade ist. Sprecht kurz darüber, warum es so fühlt und was helfen könnte.
2. Atempause bei Wut
Ziel: Kinder lernen, ihre Gefühle selbst zu regulieren.
Anleitung: Tief in den Bauch einatmen, langsam und dabei bis 4 zählen. Kurz die Luft anhalten, bis 2 zählen. Langsam ausatmen und dabei bis 6 zählen.
3. Gefühle malen oder zeichnen
Ziel: Gefühle ausdrücken, auch wenn Kinder sie nicht benennen können.
Anleitung: Gib dem Kind Papier und Stifte. Lass es seine aktuelle Emotion malen oder mit Farben ausdrücken. Sprecht danach über das Bild: „Welche Farbe passt zu deiner Wut?“
4. Geschichten- oder Rollenspiel
Ziel: Empathie entwickeln, Gefühle verstehen.
Anleitung: Erzähle eine kurze Geschichte über ein Kind mit einem starken Gefühl. Frage: „Was würde das Kind jetzt tun? Wie könnte es sich beruhigen?“
5. Dankbarkeits- oder Positiv-Übung
Ziel: Positive Emotionen stärken, Selbstwertgefühl fördern.
Anleitung: Jeden Tag 1–2 Dinge nennen, die gut gelaufen sind oder Freude bereitet haben. Bei Kindern kann man Bilder oder kleine Symbole (zB Sticker) verwenden.
Fazit – Geduld und kleine Schritte
Gefühle sind bei Kindern intensiv – und bei Pflegekindern oft besonders komplex. Doch mit Verständnis, Geduld und gezielter Unterstützung können Kinder lernen, ihre Emotionen zu erkennen, zu benennen und zu regulieren. Jede kleine Erfahrung von Sicherheit, Vertrauen und Selbstwirksamkeit ist ein Schritt zu innerer Stärke.
Es ist normal, wenn es holprig läuft. Jede positive Erfahrung zählt, und kleine Erfolge summieren sich zu großem Wachstum.
Kann ich jetzt bitte von allen ein lautes "Ommmm" hören? :-)
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