Das erste Bedürfnis: Identität
Wie ich im ersten Teil erwähnt habe, möchte ich euch dabei unterstützen, eure neue Rolle als Mutter mit eurer eigenen Persönlichkeit zu vereinen. Es geht um Mental Health und darum, eure eigenen Bedürfnisse wieder zu entdecken, die ihr vielleicht vernachlässigt habt, weil ihr so damit beschäftigt seid, die Bedürfnisse eurer Kinder zu erfüllen. Das Bedürfnis nach Identität ist das erste Bedürfnis in dieser Reihe.
Wer bin ich eigentlich?
Diese Frage nach der eigenen Identität kommt nicht nur bei Müttern auf, sondern auch in anderen Phasen eures Lebens. In jeder Phase unseres Lebens, in der wir uns verändern, stellen wir uns diese Frage erneut. Für Mütter von kleinen Kindern stellt sich die Frage erneut und kann uns stark verunsichern.
Wie stellen wir uns vor, wenn wir gefragt werden, wer wir sind? Ich bin Pauls Mama, ich bin Stefans Frau, ich arbeite Teilzeit bei xy? Was sagen wir, wenn wir gerade in Elternzeit sind? Eigentlich wollen wir doch, dass andere uns nicht nur als Mutter sehen, sondern dass sie unsere gesamte Persönlichkeit wahrnehmen, dass wir nicht nur auf das Muttersein reduziert werden.
Wir müssen häufig sehr flexibel sein und jeden Tag unterschiedliche Rollen ausfüllen. Wir sind Bedürfnisbefriediger unserer Kinder, unserer Partner und meist bleibt die gesamte Familien- und Lebensorganisation an uns hängen.
Ich bin, was ich erreicht habe
Unsere Gesellschaft ist eine Leistungsgesellschaft, die uns daran misst, was wir an Materiellem erreicht haben und vorzeigen können. Sei es das fertig gebaute Haus, die befüllte Datenbank, die produzierten Bilder oder die veröffentlichten Artikel. Das sind messbare und sichtbare Ergebnisse unserer Arbeit. Eine erfolgreiche Kinderbetreuung oder ein erfolgreich geführter Haushalt lassen sich schlecht messen. Wenn wir zusätzlich zu unseren Haushaltspflichten in Teilzeit arbeiten, ist diese Arbeit häufig unbefriedigend. Irgendetwas bleibt immer liegen.
Was bin ich nicht?
Häufig sehen wir uns durch die Linse der Gesellschaft und das gibt uns einen verzerrten Blick auf uns selbst. Es ist wichtig, dass wir Mütter definieren, was wir nicht sind.
Ich bin nicht meine Kinder
Wir müssen uns bewusst machen, dass wir eine eigenständige Person sind und unseren Wert nicht aus den Errungenschaften unserer Kinder ziehen. Die Kunst des Mutterseins besteht darin, dass Menschen, die einmal verbunden waren, getrennte Wesen werden.
Ich bin nicht meine Mutter, meine Schwester oder meine Nachbarin
Wenn wir selbst Mutter werden, kommen oft Erinnerungen aus unserer eigenen Kindheit hoch. Manchmal erschrecken wir vor uns selbst und ertappen uns dabei, unsere eigene Mutter aus uns sprechen zu hören. Das gibt uns die Gelegenheit darüber nachzudenken, welche Werte und welche Erziehungsanteile wir von unserer Mutter übernehmen wollen und welche nicht. Auch wenn wir Anteile unserer Mutter in uns tragen, sind wir doch eine eigenständige Persönlichkeit. Diese Ähnlichkeit bedeutet nicht, dass wir genau wie unsere Mutter sind. Wir sind auch nicht unsere Großmutter, unsere Schwiegermutter oder unsere Stiefmutter!
Ich bin einzigartig
Ihr habt sicher bemerkt, dass jedes Kind seine eigene Persönlichkeit hat, auch Geschwister unterscheiden sich voneinander. Auch ihr seid einzigartig und habt eure eigene, einzigartige, Persönlichkeit.
Ich bin nicht perfekt
Niemand ist perfekt und niemand muss perfekt sein. Vergleicht euch nicht mit anderen Frauen, die scheinbar alles auf die Reihe kriegen, die immer super gepflegt aussehen, deren Haus aufgeräumt ist und die die passende Deko zu jeder Jahreszeit haben. Muttersein ist kein Wettbewerb! Keine von uns ist Bree Van de Kamp aus Desperate Housewives und wir alle wissen, wohin ihr Perfektionismus sie geführt hat ;-).
All das macht mich liebenswert
Niemand urteilt so hart über uns wie wir selbst. Im Gegenteil - andere finden unsere kleinen oder größeren Eigenheiten meistens liebenswert und sind genau deswegen gerne mit uns zusammen. Seid also gnädig mit euch selbst und nehmt eure "Fehler" liebevoll an.
Wer bin ich also?
Definiert eure Persönlichkeit
Denkt nach über eure Stärken und Schwächen, um eure Persönlichkeit zu definieren. Das hilft euch herauszufinden, was ihr braucht, um wieder zu euch selbst zu finden. Seid ihr eher temperamentvoll und braucht Action und viele Menschen um euch? Seid ihr eher melancholisch und braucht Ruhe und tiefgründige Gespräche? Oder seid ihr eher phlegmatisch und braucht Zeit mit Familie und Freunden, in der ihr euch zurücklehnen und genießen könnt?
Findet euren Sinn im Leben
Was würdet ihr gerne den ganzen Tag tun, wenn ihr es euch aussuchen könntet? Was sind eure Talente, eure Träume? Was ist eure Berufung?
Könnt ihr etwas davon umsetzen, obwohl ihr kleine Kinder habt? Wie könntet ihr das umsetzen?
Versteckt euch nicht mehr
Um eure Persönlichkeit ausleben zu können, müsst ihr euch loslösen von den vermeintlich sicheren Rollen hinter denen ihr euch bisher versteckt habt. Bisher habt ihr versucht die Erwartungen eurer Eltern, eures Partners / eurer Partnerin, eurer Kinder, eurer sozialen Umgebung, etc. zu erfüllen. Das ist einerseits eine sichere und bequeme Haltung, in der ihr euch euren Ängsten nicht stellen müsst. Leider bleiben dabei auch eure Träume und Wünsche auf der Strecke.
Holt euch rechtzeitig Hilfe
Wenn ihr merkt, dass ihr immer öfter traurige Gedanken habt, euch wertlos, hoffnungslos oder müde fühlt, vielleicht auch ständig Kopfschmerzen oder andere körperliche Probleme habt, sucht euch Hilfe. Das muss nicht unbedingt gleich eine Einzeltherapie sein, es kann auch eine Frauengruppe in eurer Kirche sein oder eine andere Frauengruppe, in der ihr euch über eure Probleme und Gedanken austauschen könnt. Schämt euch nicht, die meisten von uns kommen mindestens einmal an den Punkt, an dem wir am liebsten alles hinwerfen würden.
Vielleicht habt ihr Lust bekommen, über eure neue Identität nachzudenken und eure Persönlichkeit neu zu entdecken. Diese Reise zu euch selbst ist sicher kein Kurztrip, sondern ein längeres Abenteuer, bei der ihr vieles wiederentdecken und neu erfahren werdet. Am besten ihr nehmt euch jeden Tag einen Moment für euch selbst, macht euch Notizen in einem Tagebuch, geht spazieren, setzt euch auf eine Bank und lasst eure Gedanken schweifen. Ich garantiere euch, dass ihr so einige Aha Erlebnisse haben werdet!
Ich würde mich freuen, von euch zu hören - schreibt mir doch, wie es euch auf dieser Reise ergeht!
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