top of page

Es gibt kein Verlieren – warum Niederlagen die besten Lehrmeister sind

ree

Schlechte Noten, verlorene Spiele, kleine und große Frustrationen: Für Kinder und Eltern sind Niederlagen oft schwer auszuhalten. Aber genau hier steckt die Chance für echtes Wachstum, Resilienz und innere Stärke – wenn wir lernen, richtig damit umzugehen.


Der Schulstart im September steht vor der Tür. Für viele Kinder (und Eltern) bedeutet das: neue Fächer, neue Lehrerinnen, neue Chancen – aber eben auch neue Stolpersteine. Schlechte Noten, Konflikte mit Mitschülerinnen, vielleicht das Gefühl, nicht dazuzugehören.



Und Hand aufs Herz: unser erster Impuls ist oft, unsere Kinder davor zu beschützen. Doch was, wenn genau diese vermeintlichen Niederlagen der Schlüssel zum Wachsen sind?


Die junge Studentin stand in meinem Büro. Sie war in Tränen aufgelöst, weil sie die Prüfung zur Aufnahme ins Jus-Studium nicht geschafft hat. Ich versuchte, sie zu trösten, doch sie war verzweifelt. "Ich hatte noch nie eine schlechte Note." Ich schmunzelte und sagte zur ihr: "Dann wird es aber höchste Zeit!"


Das klingt zunächst unsensibel, doch ich will es euch erklären:


Verlieren ist eine Illusion


„Verloren“ haben wir nur dann, wenn wir stehen bleiben. Jede schlechte Note, jedes nicht gewonnene Spiel, jeder Fehler ist in Wahrheit Feedback. Ein Hinweis, wo wir noch lernen dürfen. Ein Trainingsfeld für Charakter, Durchhaltevermögen und innere Stärke.

Oder wie der Psychologe Martin Seligman es beschreibt: Resilienz bedeutet nicht, Rückschläge zu vermeiden, sondern sie als vorübergehende und überwindbare Herausforderungen zu begreifen. Ihm zufolge ist Optimismus trainierbar. Wer Rückschläge als zeitlich begrenzt und überwindbar versteht, wird widerstandsfähiger.


Kinder brauchen echte Erfahrungen – warum Niederlagen wichtig sind


Wenn wir Niederlagen aus dem Weg räumen, nehmen wir Kindern die Chance, innere Stärke aufzubauen. Es geht nicht darum, sie ins kalte Wasser zu werfen, sondern darum, an ihrer Seite zu bleiben und ihnen zu zeigen:„Schau, das ist nicht das Ende. Das ist ein Anfang.“


Schon ein Kleinkind muss lernen, mit Frustrationen oder "Niederlagen" umzugehen. Wieviele Versuche hat euer Kind gebraucht, bis es sich auf den Bauch drehen, stehen oder gehen konnte? Bis es zum ersten Mal mit dem Löffel selbst essen konnte? Bis es seine Schuhe selbst binden konnte oder ohne Windel zurechtkam?


All diese natürlichen Entwicklungsschritte sind mit Frustrationen verbunden und haben viel mit "Versuch und Irrtum" zu tun. Euer Kind bleibt hartnäckig und versucht es solange, bis es klappt. Hier würde es euch auch nicht in den Sinn kommen, euer Kind vor der "Niederlage" schützen zu wollen.


Warum tun wir uns so schwer, dasselbe Prinzip anzuwenden, wenn es um spätere Tiefschläge unserer Kids geht?


Erst wir – dann die Kinder: Scheitern lernen als Elternaufgabe


Wenn das Kind mit einer schlechten Note nach Hause kommt, passiert bei vielen Eltern etwas ganz Menschliches: Wir fühlen uns selbst getroffen. Vielleicht erinnern wir uns an unsere eigenen Schulzeiten. Vielleicht hören wir innerlich schon die Stimmen von Lehrern oder Verwandten: „Du musst dich mehr anstrengen!“ Vielleicht projezieren wir unsere Ängste auf die Situation und auf unser Kind. Und dann reagieren wir – manchmal zu heftig.


Der erste Schritt ist also: bei sich selbst bleiben. Einatmen. Ausatmen. Sich erinnern: Es geht nicht um mich. Es geht nicht darum, dass mein Kind mich „blamiert“. Die (gute) Zukunft meines Kindes hängt nicht von dieser Note, diesem Zeugnis oder diesem verpassten sportlichen Sieg ab. Es geht darum, dass mein Kind gerade übt, mit dem Leben klarzukommen.


Praktische Tipps für Eltern im Moment der „Niederlage“


  1. Nicht sofort bewerten. Statt „Oh nein, eine Vier!“ lieber: „Danke, dass du mir die Arbeit zeigst. Wie fühlst du dich damit?“

  2. Gefühle benennen. „Du bist enttäuscht, oder? Das ist verständlich. Ich kenne dieses Gefühl auch.“ → Kinder lernen so, dass Frust normal ist.

  3. Empathie zeigen. Manchmal brauchen Kinder einfach eine Umarmung, ein freundliches Wort, damit sie sich wahrgenommen fühlen und die Dinge in Relation setzen können.

  4. Zeit geben. Manche Kinder brauchen erstmal Ruhe, bevor sie reden wollen. Überrollt es nicht gleich mit praktischen Lösungen.

  5. Reframing anbieten. „Diese Note ist wie ein Hinweisschild: Da gibt’s noch was zu lernen. Kein Weltuntergang, sondern eine Chance.“

  6. Vorleben. Erzähle von deinen eigenen Niederlagen (Prüfung versemmelt, Vorsingen daneben gegangen, Bewerbung abgelehnt) – und wie du damit umgegangen bist.

  7. Den Blick in die Zukunft richten. Nicht: „Warum hast du das nicht geschafft?“ sondern: „Was könnten wir nächstes Mal anders machen? Hast du eine Idee?“


So stärkst du nicht nur die Beziehung zu deinem Kind, sondern auch seine Selbstwirksamkeit – das Vertrauen: Ich kann etwas verändern.


Auch bekannte und erfolgreiche Menschen (zB J.K. Rowling, Stephen King oder Michael Jordan) sprechen offen darüber, dass sie häufig mit "Niederlagen" umgehen mussten. Ihr Durchhaltevermögen trotz der Absagen und der verlorenen Spiele führte sie alle schließlich zum Erfolg.


Resilienz lernen – der Muskel fürs Leben


Wissenschaftlich betrachtet wissen wir heute, dass Resilienz wie ein Muskel trainiert werden kann. Studien zeigen, dass Kinder, die lernen, mit Rückschlägen umzugehen, später weniger anfällig für Depressionen sind, erfolgreicher im Beruf werden und gesündere Beziehungen führen.

Und das Schöne: Dieser Muskel wächst nicht durch Siege, sondern durch Niederlagen. Denn bereits Seneca sagte: "Schwierigkeiten stärken den Geist, wie Arbeit den Körper."


Fazit


Es gibt kein „Verlieren“. Es gibt nur Gelegenheiten, aufzustehen, stärker zu werden und neue Perspektiven zu gewinnen. Wer schon früh versteht, dass Rückschläge Teil des Spiels sind, geht selbstbewusster durchs Leben – in der Schule und weit darüber hinaus. Denn nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir ;-).

Kommentare


bottom of page