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Schlechte Noten - was nun?

Aktualisiert: 1. Juni 2022


Falls ihr nicht zu den Eltern gehört, die bereits entspannt den Semesterferien entgegensehen und im Geiste schon die Koffer für den Skiurlaub packen, dann geht es euch wie mir. Vor jeder Schularbeit und jedem Test fühle ich mich wie ein Cheerleader oder eine Motivationsmaschine, um meine Tochter beim Lernen zu unterstützen. Besonders in den Wochen vor dem Zeugnis geht es um jedes Plus und jede gute Note.


Ich habe meiner Tochter schon Vieles angeboten - von der klassischen Nachhilfe über Lernplattformen und Karteikarten bis hin zu selbst erstellen Lernquizzes auf Kahoot! - alles mit eher mäßigem Erfolg.


Horrorfilm im Kopfkino


Es ist sehr schwierig für mich - und wahrscheinlich für viele andere Eltern auch - das Kopfkino abzudrehen. Bei jeder schlechten Note oder negativen Rückmeldung der Lehrer startet ein imaginärer Horrorfilm, der im schlimmsten Fall damit endet, dass meine Tochter als obdachlose Bettlerin in der Fußgängerzone endet. Obwohl mir klar ist, dass diese Reaktion völlig überzogen ist, und der Fall höchstwahrscheinlich nie eintreten wird (#keepyourfingerscrossed), konnte ich diesem Gedankenstrudel früher nur schwer entkommen. Es ist durchaus herausfordernd, diese schrecklichen Vorstellungen vor seinem Kind zu verbergen und ihm nicht diese negative Zukunftsvision einzupflanzen.


Ich habe immer Wert gelegt auf eine Atmosphäre in der meine Tochter jedes Thema angstfrei mit mir besprechen kann. Sie soll wissen, dass sie auch mit einer schlechten Note oder einem Tadel jederzeit nach Hause kommen kann. Noch schrecklicher als die beängstigendste Zukunftsvision wäre es für mich, wenn mein Kind es aus Angst vor meiner Reaktion nicht wagen würde, mit seinen Problemen zu mir zu kommen.


Man wünscht seinem Kind und sich selbst einen entspannten Schulalltag mit möglichst wenigen Hiobsbotschaften und vielen positiven Erfahrungen. In Studien hat man herausgefunden, dass Eltern sehr wohl einen großen Einfluss auf den Schulerfolg ihrer Kinder haben. Eltern sind sogar ein wesentlicher Faktor und das ist eine gute Nachricht! Bereits von klein auf können wir unsere Kinder positiv beeinflussen und ihnen mitgeben, dass das Erwerben von Wissen und von Fähigkeiten erstrebenswert ist. Dabei ist nicht gefragt, dass wir schulmeisterliche Vorträge halten. Es genügt schon, wenn wir unseren Kindern eine Vielzahl von Angeboten machen und damit ihren Horizont erweitern. So lernen sie bereits im Kleinkindalter spielerisch und bemerken, dass sie von dem erworbenen Wissen und den neuen Fähigkeiten profitieren können.


Eine Frage der Einstellung


In unserer materiell gesicherten Welt ist Schule eine Selbstverständlichkeit geworden, ja manchmal sogar ein lästiges Übel. Jedes Kind hat die Möglichkeit, sogar die Pflicht, eine Schule zu besuchen. Wir können aus mehreren Schultypen auswählen und in der Großstadt durchaus auch die Schule wechseln, falls wir oder unsere Kinder mit dem Schulkonzept unzufrieden sind. Dabei ist uns die Wertschätzung der Institution Schule und des Lernens ein wenig verlorengegangen. Wir vergessen, dass es auch bei uns nicht immer selbstverständlich war, dass alle Kinder die Schule besuchen können.


Wenn wir unseren Kindern eine positive Einstellung gegenüber der Schule und den Lehrern vermitteln, wird es diese positive Haltung übernehmen. Wenn wir jedoch die Schule, die Lehrer oder den Lehrstoff grundsätzlich schlecht machen oder die Sinnhaftigkeit der Regeln oder der Lerninhalte in Frage stellen, dann wird unser Kind das auch tun und die Lust am Lernen verlieren.


Es ist durchaus hilfreich, wenn wir zwischendurch unseren Kindern ins Gedächtnis rufen, dass sie in der wunderbaren Lage sind, ein Schulkind sein zu dürfen. Laut dem Weltbildungsbericht der UNESCO aus 2020 besuchen geschätzt 258 Millionen (= ca. 17%) Kinder, Heranwachsende und Jugendliche keine Schule. Jene, die eine Schule besuchen, haben häufig nicht so eine Vielfalt an Möglichkeiten, sich ihre Schule auszusuchen oder können sich nicht gemütlich in den Schulbus oder die U-Bahn setzen und bei jedem Wetter in die Schule gelangen. Zur Veranschaulichung kann ich den Film "Auf dem Weg zur Schule" von Pascal Plisson empfehlen. Er zeigt in seiner eindrucksvollen Dokumentation den herausfordernden Schulweg von Kindern in Patagonien, Kenia, Marokko, Indien und Argentinien. Ihr könntet diesen Film auch zum Anlass nehmen, einmal mit euren Kids über ihren Schulweg zu sprechen oder darüber, wie euer eigener Schulweg war oder der eurer Eltern und Großeltern.


Wir sind ein Team


Sowohl Eltern als auch Lehrer freuen sich über den Erfolg der Kinder. Wir sollten alle an einem Strang ziehen und eine konstruktive und offene Kommunikation pflegen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Lehrer den Kindern gegenüber positiv eingestellt sind und diese sehr engagiert beim Lernen unterstützen. Vor allem wenn sie merken, dass ihre Arbeit von den Eltern ernstgenommen und wertgeschätzt wird. Sucht nicht nur dann den Kontakt zu den Lehrern, wenn etwas nicht so gut läuft. Genau wie wir freuen sie sich ebenso über eine positive Rückmeldung. Die offene Kommunikation zwischen Eltern und Lehrern bietet den weiteren Vorteil, dass Kinder beide Parteien nicht gegeneinander ausspielen können, weil sie immer bestens informiert sind. Bei der Zusammenarbeit müssen jedoch die Zuständigkeiten klar sein. Die Lehrer sind für die Planung und Durchführung des Unterrichts zuständig und die Eltern für den privaten Bereich. Die Verantwortung muss unbedingt respektiert werden und man sollte sich auf keinen Fall in den Bereich des jeweils anderen einmischen.


Keep calm and drink tea


"Abwarten und Tee trinken" - das ist definitiv meine Empfehlung bei einer schlechten Nachricht aus der Schule. Wenn die Schoolfox App (das elektronische Mitteilungsheft) anzeigt, dass ich eine neue Mitteilung der Schule erhalten habe, reagiert mein Körper ähnlich wie bei einer Polizeikontrolle. Auch wenn ich weiß, dass ich nichts angestellt habe, schlägt mein Herz schneller und ich spüre die Panik in mir aufsteigen. Meistens ist die Nachricht aus der Schule harmlos, aber was tun, wenn nicht? Was tun, wenn die Schularbeit strotzt vor roten Korrekturen und die Note nicht euren Erwartungen entspricht?


Die Frustration und Depression eures Kindes und eure eigenen Gefühle wie Angst, Wut, oder Resignation haben ihre Daseinsberechtigung, sind aber eine explosive Mischung, die jedes konstruktive Gespräch unmöglich machen. Diese Konflikte haben nur eine Auswirkung - sie führen dazu, dass die Schule von euren Kindern mit negativen Emotionen verbunden wird. Ein Donnerwetter führt vielleicht zu einem kurzfristigen Erfolg, beim nächsten Mal muss das Donnerwetter jedoch noch größer ausfallen, um dieselbe Wirkung zu zeigen. Im Extremfall führt das zur völligen Eskalation. Die schulische Leistung wird dadurch auch nicht besser, im Gegenteil.


Die beste Reaktion auf eine schlechte Nachricht oder Note ist erstmal gar keine. Atmet tief durch und nehmt euer Kind tröstend in den Arm. Es ist sicherlich enttäuscht und traurig über das schlechte Ergebnis oder den Verweis. Verschiebt eure Reaktion oder die Diskussion auf später, wenn bei eurem inneren Horrorfilm der Abspann läuft und ihr das Thema möglichst sachlich besprechen könnt. Beobachtet und ändert eure Reaktion in schwierigen Situationen. Nicht nur eure Worte, sondern auch eure Mimik und Gestik. Plant bereits im Voraus eure Strategie für solche Situationen. Erst nach einer gewissen Bedenkzeit, wenn möglich am nächsten Tag oder Abend, solltet ihr euch mit eurem Kind zusammensetzen und klären, was schiefgelaufen ist und wie es sich beim nächsten Mal verbessern oder anders verhalten kann.


Erwartungen ausloten und festlegen


Vor dem Gespräch mit eurem Kind solltet ihr euch drüber im Klaren sein, was eure Erwartungen gegenüber eurem Kind in Bezug auf Schule sind. Die Erwartungen können je nach Familie ganz unterschiedlich sein, denn sie hängen davon ab, welche Einstellung ihr gegenüber Bildung, Ausdauer und Anstrengung habt. Wenn ihr wisst, was ihr von eurem Kind erwartet, solltet ihr das gemeinsam besprechen und schriftlich festlegen. Dabei ist es wichtig, in kleinen Schritten zu denken, die das Kind auch erfüllen kann, zB die Hausaufgaben jeden Tag notieren und erledigen, jeden Tag 5 englische Vokabel lernen, jeden Tag 10 Seiten der Deutschlektüre lesen, ...


Einigt euch auf eine regelmäßige Überprüfung und Nachbesprechung. Dabei ist es sehr wichtig, die Erfolge hervorzuheben und euer Kind für das Erreichte zu loben. Euer Kind soll dazu motiviert werden, die Verantwortung für die Schule zu übernehmen und zu lernen, seine Probleme selbst zu lösen.


Unterschiedliche Motivationsstrategien


Je nach Alter eures Kindes müssen sich auch die Motivationsstrategien unterscheiden. Während kleinere Kinder noch dankbar Vorschläge zur Organisation und zu Lernstrategien annehmen, fühlen sich Teenager dadurch schnell bevormundet. Sie brauchen eher den elterlichen Trost und seelische Unterstützung. Gerade in der Pubertät leiden Kinder nicht nur unter dem Leistungsdruck, sondern auch unter Konflikten mit Mitschülern oder mit Lehrern, unter dem manchmal schwierigen Klassenklima und sind zeitweise damit überfordert. Eltern sollten zum Coach ihrer Kinder werden und sie ermutigen. Die positive Bestärkung und das Urvertrauen, das das Kind schon seinen Weg machen wird, sind wichtige Bausteine für den schulischen Erfolg. Dabei dürft ihr euch selbst nicht vergessen! Ihr solltet nicht nur die Erfolge eures Kindes feiern, sondern auch euch selbst auf die Schulter klopfen, wenn ihr es schafft, eure Strategien zur Konfliktvermeidung anzuwenden und eure Kinder zu motivieren!


Bei all diesen Tipps zur Disziplin und zum Lernen dürft ihr nicht vernachlässigen, dass eure Kinder auch mal eine Auszeit benötigen. Unser Geist und unser Körper brauchen Zeit zum Regenerieren, beim Lesen, beim Sonnenbad, bei einem Treffen mit Freunden oder bei Bewegung und Sport. Gönnt euch und euren Kindern diese freie unbelastete Zeit, damit wieder genügend Ressourcen für die Bewältigung des Schulalltags vorhanden sind.


Bei allen Unwägbarkeiten des Lebens ist eines gewiss - trotz schulischer Schwierigkeiten oder schlechter Noten kann man als Erwachsener ein erfolgreiches und glückliches Leben führen!


Wenn ihr das Thema weiter vertiefen möchtet, empfehle ich euch das Buch "Bei schlechten Noten helfen gute Eltern" von Christoph Eichhorn, aus dem ich mir schon viele gute Tipps geholt habe.


Wie geht es euch mit diesem Thema? Habt ihr schon gute Strategien entwickelt? Ich freue mich über eure Rückmeldung - schreibt mir an vampirndl@hotmail.com.

























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